chrisb hat geschrieben:
im artikel wird sinngemäß was davon erzählt das die gitarre "anders" klingt und dementsprechend wird dann im laufe des artikels "anders" als hammermäßig spitze umdefiniert
Diese alten L-00s klingen wirklich "anders" als heutige Gitarren. Ich hatte übrigens das Vergnügen, eine 37er L-00 mein Eigen zu nennen. Es wurde mir dann für die Gitarre ein Angebot gemacht, dem ich nicht widerstehen konnte...Ab einer bestimmten Summe bin auch ich käuflich...
Wo liegen die Hauptunterschiede (speziell der Gibsons der 30er Jahre) im Vergleich mit den heute gebauten Gitarren ?
1) Einsatzbereich: Stilistiken, die heute unter dem Begriff "Fingerstyle" zusammengefasst werden, gabs vor 70 Jahren nicht. Stahlsaitengitarren waren kein Solisteinstrumente wie heutzutage, sondern dienten zuallererst als Rhythmusinstrument. Dass unter den alten Bluesleuten Jungs dabei waren, die durchaus "fingerstylerische" Qualitäten allererste Güte hatte (Lonnie Johnson, Willie Brown etc.), steht ausser Zweifel, aber auch diese Leute sahen eine Gitarre eher als Begleitinstrument an.
Damit eine Gitarre ohne elektronischen Support im damaligen "Bandkontexten", sowohl im Livebetrieb wie unter den sehr primitiven Aufnahmebedingungen der damaligen Zeit, überhaupt zu hören war (bitte beachten: wir sprechen hier von einer Zeit, in der es keine Pickups, AER-Amps, PAs und anderes elektonisches Gedöns gab) musste sie soundmässig (oder besser frequenztechnisch) bestimmte Bereiche stärker abdecken, als das heute gewünscht ist.
Die Bereiche waren vor allen Dingen die Mitten. Um rhythmisch richtig und hörbar "schieben" zu können, braucht man Dampf im Mittenbereich. Fein ziselierte Höhen, flirrende Obertöne und ähnliches bringen da garnix, ja sind sogar kontraproduktiv. Bei zu starken Bässen siehts ähnlich aus.
2) Bauweise: die L-00s waren extrem leicht gebaut. Meine L-00 war die leichteste Gitarre, die ich jemals in den Fingern hatte. Dünner kann man eine Decke (natürlich Adirondack) wohl kaum noch machen. Die bauten die Teile nicht für die Ewigkeit, wenn mal eine kaputtging, dann bekam der Kunde halt eine neue (Preis lag Mitte der 30er Jahre bei ca. 30 $, also im Vergleich zu Martingitarren fast schon ein Schnäppchen). Diese Bauweise machte die Teile richtig laut und "resonant" bei einer unglaublichen Ausgewogenheit. Strumming, Picking: alles kommt glasklar, aber immer mit einer für heutige Verhältnisse sehr ausgeprägten Mittenbetonung. Aber für Blues, Ragtime, Jazziges gibts wohl kaum was besseres.
Zum Preis für diese "neuen" L-00s: total durchgeknallt. Eine gute Originale bekommt man für ca. 3500 € (z.B. bei Antique Acoustics in Tübingen). Wobei dieser Preis in Hinblick auf Bespielbarkeit und Sound-/Materialqualität ganz abgesehen von der Seltenheit völlig gerechtfertigt ist. Aber nochmal: ein Vergleich dieser alten Gitarren mit heute gebauten geht völlig daneben, da die Soundvorstellungen im Jahre 2007 ganz andere sind als die, die die Leute vor 70 Jahren hatten. Die Gitarren wurden gebaut, um den Markt der 30er Jahre zu bedienen und nicht in Hinblick auf mögliche Vorlieben der Leute im 21. Jahrhundert.