Besuch im Sommer
Verfasst: Sa Sep 20, 2008 6:43 am
Besuch im Sommer
Dort, wo vor zweitausend Jahren die Römer wohl mundende Weine anbauten, findet sich heute eine kleine, sonnenbeschienene Siedlung kleiner Einfamilienhäuschen, die sich gemütlich hangwärts aneinander reihen. In Nummer Neun lebt Armin mit seiner netten jungen Familie und den beiden Kindern. - Und hier besucht man keinen Hersteller oder gar Produzenten von Gitarren, hier besuchen sich Freunde, die gern Gitarre spielen, die darüber gern plaudern: eine angenehme Atmosphäre zweckfreier Liebhaberei in Wort und Klang.
So traf ich Armin im Sommer dieses Jahres an, als soeben einer seiner Nachbarn darüber klagte, dass ihm aus seinem Garten ein Stapel Holz gestohlen wurde. Holz, der Wichtigste Rohstoff einer Gitarre. Und Armin war alarmiert, sprach dem Nachbarn aber Trost und Verständnis - und eine Ladung frisches Holz zu. Mit Holz und Hölzern kennt sich Armin einfach gut aus; denn das merkt man gleich am fein geschliffenen, oktagonalen Esstisch aus Kirschenholz in der licht durchfluteteten Essecke, wo es duftenden Kaffe gibt, der gleich an Jumbo-Bauformen erinnert.
Nach dem Anruf holte Armin drei seiner Gitarren hervor.
Die erste war die ›Rote‹ mit Boden und Zargen aus Cocobolo. Sie ist auf seiner website abgebildet: Hals aus einteiligem Mahagoni, Decke aus Fichte. Diese allgemeinen Angaben bleiben allerdings weit hinter der akkuraten Verarbeitung zurück, wie jedes Stückchen Holz ausgesucht, zugeschnitten und verleimt worden ist. Und darin ist Armin ein perfekter Meister seiner Zunft. So läuft die mittlere Maserung exakt parallel zum Hals; die Jahresringe stehen senkrecht; man kann förmlich durch die einwandfreie und glasklare Lackierung in das Holz hineinsehen.
Ich darf die ›Rote‹ anspielen. Klänge und Klangfarben erfährt man stets subjektiv. Ich war spontan ›verliebt‹; denn der freundlich-singende Augenaufschlag lächelte mich wirklich einladend an. Für Melodielinien in den oberen Registern ebenso brillant und präsent wie für Folk- und Country-Picking in den ersten Bünden; eine echte ›Allrounder‹, ohne Durchschnitt zu sein.
Als nächste reichte mir Armin eine Gitarre, die sich ganz anders zu Wort und Ton meldete. Sie trug die volle Wucht bekannter „Super"-Jumbos in die Welt, die immer wieder überraschende Bass- und Mittenvielfalt entwickeln; und das mag ich, wenn ich den ›Streets of Londen‹ nachsinge und -spiele oder wenn ich nochmals mit Emmylou Harris die Bühne mit der Ballade über ›Poncho and Lefty‹ von Townes van Zandt betreten dürfte. Armins Gitarre reicht aber in den höheren Lagen gerade dort weiter, wo sich solche „Super"-Jumbos bald erschöpfen. Darüber sprachen wir eine Weile. Armin horcht und klopft die Decke ab und bringt sein bracing entsprechend individuell auf die Unterseite der Decke auf. Darin erklärt sich wohl der Unterschied zwischen einer Serie und einer individuell handgefertigten Gitarre. Armin erklärte mir noch mehr: In seinem schwungvoll handbeschriebenen Label auf dem Boden indiziert er jeweils die optimale Saitenstärke, für die er die jeweilige Gitarre gebaut hat; Seriengitarren werden regelmäßig für maximale Besaitung und Belastung gefertigt. Das ist bei Armin natürlich anders, denn hier wird die Gitarre wirklich für den individuellen Spieler und seine Spielweise gebaut, über die man natürlich plaudern und fachsimpeln kann, was in Armins gemütlicher Essecke bei dem besagten Jumbo-Kaffee ideale Bedingungen vorfindet. Nachzutragen ist, dass Boden und Zargen dieser Gitarre aus Rio-Palisander und die Decke aus sehr fein gemaserter Fichte besteht. Der dreiteilige Hals verspricht absolute Geradlinigkeit und Verwindungsfreiheit, Griffbrett aus dunklem Ebenholz und die Brücke, deren Konstruktion an George Lowden erinnert, ist selbst schon eine Augenweise aus stark gemustertem Rosenholz. Ich war jedenfalls rundherum begeistert
Wir kamen nun zu Armins CBF-Gitarre. Sie besteht aus ähnlichen Materialien wie die Vorhergehende; der sichtbarste Unterschied ist zunächst nur das cutaway. Sie besticht, wie ihre Vorgänger, durch eine makellose Verarbeitung und wunderbar-klarsichtige Lackierung. Die Schwalbenschwanzverbindung ist selbstverständlich; nicht dagegen die Bauweise des auf den Halsblock von außen her verlängerten Bodens. Armin sagte, dass diese Konstruktion die Festigkeit und Werthaltigkeit seiner Gitarren erhöhten. Wir sind an der Schwelle hermetischen insider-Wissens angekommen, die man als Laie nur noch glaubend überschreiten wird. Dasselbe gilt für die Leimverbindungen, die Art des verwendeten Leimes, das Aufleimen selbst, beispielsweise des Griffbretts auf den Hals, das Einlegen des Stellstabes, der heute selbstverständlich ist, und am Ende die Lackierung. All diese Vorgänge gehören zu den bleibenden Geheimnissen eines jeden Gitarrenbaukünstlers, zu denen auch Armin gehört. - Für uns Laien bleibt der synästhetische Eindruck einer optisch und klanglich gelungenen Gitarre, die uns Armin auf unsere Reise durch das Märchenland der Saitenzauberei mitgibt; und es ist, als folgte uns eine Gesandtschaft von holden Elfen und unsterblich schönen Feen.
Zu Armins Werkstatt gelangt man über ein paar Stufen ins Untergeschoß. Die Realität irdischen Daseins holt uns ein: Bandsäge, Bauformen, Spanngurte und Hobelbank; dazu die bekannten Handwerkzeuge. Überall riecht es saftig nach Holz. Armin geht hier nochmals technisch und kaufmännisch ins Detail; das Fazit ist: schön, werthaltig und vorbehaltlos fair.
Wir nehmen herzlichen Abschied. Auf der Weiterfahrt habe ich lange nachgedacht. Wie entstehen die Bilder einer echten Traumgitarre; gibt es die überhaupt? Immer wieder denke ich an die Szenen mit Emmylou Harris und Townes van Zandt, an Joan Baez, an Johnny Cash und John Denver, die für die besagten Bilder von Guild und Gibson prägend sind. Niemand spielt dort auf einer Dreier-Gitarre. Armins Gitarren werden nicht von Katie Melua oder Al de Meola und Pet Metheny bei YouTube repräsentiert; und ich nehme bewusst Abschied von all diesen Suggestionen, die jene Video-Clips immer wieder wecken wollen; ich nehme Abschied von Gibson, Guild und Martin. Denn eine Dreier-Gitarre von Armin ist definitiv ein anderes Instrument. Mit ihrem weltoffenem Pragmatismus von heute und ihrer bestechend schlichten und überzeitlichen Ästhetik nimmt sie uns mit in ein anderes Land, das noch niemand so gut kennt und in dem noch Wenige waren. Einer dieser - bekannteren - Pioniere in dieses traumhaft-märchenvolle Land ist immerhin der versierte und vielse/atige Claus Böser-Ferrari; auch Andere aus dem Forum sind diesem Weg gefolgt. Und ich denke, sie sind als lichte und wirklich glückliche Menschen zurück gekehrt.
Jan-Peter
Dort, wo vor zweitausend Jahren die Römer wohl mundende Weine anbauten, findet sich heute eine kleine, sonnenbeschienene Siedlung kleiner Einfamilienhäuschen, die sich gemütlich hangwärts aneinander reihen. In Nummer Neun lebt Armin mit seiner netten jungen Familie und den beiden Kindern. - Und hier besucht man keinen Hersteller oder gar Produzenten von Gitarren, hier besuchen sich Freunde, die gern Gitarre spielen, die darüber gern plaudern: eine angenehme Atmosphäre zweckfreier Liebhaberei in Wort und Klang.
So traf ich Armin im Sommer dieses Jahres an, als soeben einer seiner Nachbarn darüber klagte, dass ihm aus seinem Garten ein Stapel Holz gestohlen wurde. Holz, der Wichtigste Rohstoff einer Gitarre. Und Armin war alarmiert, sprach dem Nachbarn aber Trost und Verständnis - und eine Ladung frisches Holz zu. Mit Holz und Hölzern kennt sich Armin einfach gut aus; denn das merkt man gleich am fein geschliffenen, oktagonalen Esstisch aus Kirschenholz in der licht durchfluteteten Essecke, wo es duftenden Kaffe gibt, der gleich an Jumbo-Bauformen erinnert.
Nach dem Anruf holte Armin drei seiner Gitarren hervor.
Die erste war die ›Rote‹ mit Boden und Zargen aus Cocobolo. Sie ist auf seiner website abgebildet: Hals aus einteiligem Mahagoni, Decke aus Fichte. Diese allgemeinen Angaben bleiben allerdings weit hinter der akkuraten Verarbeitung zurück, wie jedes Stückchen Holz ausgesucht, zugeschnitten und verleimt worden ist. Und darin ist Armin ein perfekter Meister seiner Zunft. So läuft die mittlere Maserung exakt parallel zum Hals; die Jahresringe stehen senkrecht; man kann förmlich durch die einwandfreie und glasklare Lackierung in das Holz hineinsehen.
Ich darf die ›Rote‹ anspielen. Klänge und Klangfarben erfährt man stets subjektiv. Ich war spontan ›verliebt‹; denn der freundlich-singende Augenaufschlag lächelte mich wirklich einladend an. Für Melodielinien in den oberen Registern ebenso brillant und präsent wie für Folk- und Country-Picking in den ersten Bünden; eine echte ›Allrounder‹, ohne Durchschnitt zu sein.
Als nächste reichte mir Armin eine Gitarre, die sich ganz anders zu Wort und Ton meldete. Sie trug die volle Wucht bekannter „Super"-Jumbos in die Welt, die immer wieder überraschende Bass- und Mittenvielfalt entwickeln; und das mag ich, wenn ich den ›Streets of Londen‹ nachsinge und -spiele oder wenn ich nochmals mit Emmylou Harris die Bühne mit der Ballade über ›Poncho and Lefty‹ von Townes van Zandt betreten dürfte. Armins Gitarre reicht aber in den höheren Lagen gerade dort weiter, wo sich solche „Super"-Jumbos bald erschöpfen. Darüber sprachen wir eine Weile. Armin horcht und klopft die Decke ab und bringt sein bracing entsprechend individuell auf die Unterseite der Decke auf. Darin erklärt sich wohl der Unterschied zwischen einer Serie und einer individuell handgefertigten Gitarre. Armin erklärte mir noch mehr: In seinem schwungvoll handbeschriebenen Label auf dem Boden indiziert er jeweils die optimale Saitenstärke, für die er die jeweilige Gitarre gebaut hat; Seriengitarren werden regelmäßig für maximale Besaitung und Belastung gefertigt. Das ist bei Armin natürlich anders, denn hier wird die Gitarre wirklich für den individuellen Spieler und seine Spielweise gebaut, über die man natürlich plaudern und fachsimpeln kann, was in Armins gemütlicher Essecke bei dem besagten Jumbo-Kaffee ideale Bedingungen vorfindet. Nachzutragen ist, dass Boden und Zargen dieser Gitarre aus Rio-Palisander und die Decke aus sehr fein gemaserter Fichte besteht. Der dreiteilige Hals verspricht absolute Geradlinigkeit und Verwindungsfreiheit, Griffbrett aus dunklem Ebenholz und die Brücke, deren Konstruktion an George Lowden erinnert, ist selbst schon eine Augenweise aus stark gemustertem Rosenholz. Ich war jedenfalls rundherum begeistert
Wir kamen nun zu Armins CBF-Gitarre. Sie besteht aus ähnlichen Materialien wie die Vorhergehende; der sichtbarste Unterschied ist zunächst nur das cutaway. Sie besticht, wie ihre Vorgänger, durch eine makellose Verarbeitung und wunderbar-klarsichtige Lackierung. Die Schwalbenschwanzverbindung ist selbstverständlich; nicht dagegen die Bauweise des auf den Halsblock von außen her verlängerten Bodens. Armin sagte, dass diese Konstruktion die Festigkeit und Werthaltigkeit seiner Gitarren erhöhten. Wir sind an der Schwelle hermetischen insider-Wissens angekommen, die man als Laie nur noch glaubend überschreiten wird. Dasselbe gilt für die Leimverbindungen, die Art des verwendeten Leimes, das Aufleimen selbst, beispielsweise des Griffbretts auf den Hals, das Einlegen des Stellstabes, der heute selbstverständlich ist, und am Ende die Lackierung. All diese Vorgänge gehören zu den bleibenden Geheimnissen eines jeden Gitarrenbaukünstlers, zu denen auch Armin gehört. - Für uns Laien bleibt der synästhetische Eindruck einer optisch und klanglich gelungenen Gitarre, die uns Armin auf unsere Reise durch das Märchenland der Saitenzauberei mitgibt; und es ist, als folgte uns eine Gesandtschaft von holden Elfen und unsterblich schönen Feen.
Zu Armins Werkstatt gelangt man über ein paar Stufen ins Untergeschoß. Die Realität irdischen Daseins holt uns ein: Bandsäge, Bauformen, Spanngurte und Hobelbank; dazu die bekannten Handwerkzeuge. Überall riecht es saftig nach Holz. Armin geht hier nochmals technisch und kaufmännisch ins Detail; das Fazit ist: schön, werthaltig und vorbehaltlos fair.
Wir nehmen herzlichen Abschied. Auf der Weiterfahrt habe ich lange nachgedacht. Wie entstehen die Bilder einer echten Traumgitarre; gibt es die überhaupt? Immer wieder denke ich an die Szenen mit Emmylou Harris und Townes van Zandt, an Joan Baez, an Johnny Cash und John Denver, die für die besagten Bilder von Guild und Gibson prägend sind. Niemand spielt dort auf einer Dreier-Gitarre. Armins Gitarren werden nicht von Katie Melua oder Al de Meola und Pet Metheny bei YouTube repräsentiert; und ich nehme bewusst Abschied von all diesen Suggestionen, die jene Video-Clips immer wieder wecken wollen; ich nehme Abschied von Gibson, Guild und Martin. Denn eine Dreier-Gitarre von Armin ist definitiv ein anderes Instrument. Mit ihrem weltoffenem Pragmatismus von heute und ihrer bestechend schlichten und überzeitlichen Ästhetik nimmt sie uns mit in ein anderes Land, das noch niemand so gut kennt und in dem noch Wenige waren. Einer dieser - bekannteren - Pioniere in dieses traumhaft-märchenvolle Land ist immerhin der versierte und vielse/atige Claus Böser-Ferrari; auch Andere aus dem Forum sind diesem Weg gefolgt. Und ich denke, sie sind als lichte und wirklich glückliche Menschen zurück gekehrt.
Jan-Peter