Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

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RB
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von RB »

Die Antwort lautet nach meiner Überzeugung: In einem Bereich zwischen 1000 und 2500 ungefähr bekommt man solides Handwerkszeug. Für meine Zwecke und meinen Inspirationsbedarf reicht eine Gitarre von der Stange. Wenn man Material, Arbeitskosten und Gewinn eines Europäischen oder US-amerikanischen Boutique-Instrumentenschneiders vor Augen hat, kann man für eine nach üblichen Maßstäben reichlich weihnachtmäßig verzierte Ausführung für vielleicht 5000 erwarten.

Aber 35000 ? Sofern es sich nicht um Stücke mit extremer Handwerks- und Kunstleistung handelt, eher unwahrscheinlich. Sollte es sich indes um etwas wie beispielsweise die Martin D-100 handeln (ist Geschmackssache, ich weiß), kann die reine kunsthandwerkliche Leistung schon ohne Weiteres in den fünfstelligen Bereich hineingehen. Und dann gibt es da noch das, was die Juristen (oder waren das die Psychiater) gerne als affektive Bindung bezeichnen, die beispielsweise einen winzigen Fetzen Altpapiers bläulicher Farbe unbezahlbar macht. Das gibt es auch im Instrumentenbereich. Letztlich findet man in der realen Welt ein Konglomerat aus allen Zutaten vor.

Aber der Kern- und Wesensgehalt eines Instruments ? Wie oben gesagt, mE kann man den bei einfacher äußerer Ausführung einer Gitarre im Bereich von vielleicht 2000 bis 3500 bis an die Grenze des klangtechnisch Möglichen ausschöpfen. Mehr ist Bling oder "habenwill" oder beides.
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rudi
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von rudi »

Also wenn ich mal den Stundenlohn des Elektrikers der zu mir kommt, oder des Vertragswerkstatt-Autoschraubers nehme...
das dürften, für eine einfache Rechnung, ca. 50,-€ sein.
Und weiterhin davon ausgehe das eine handgearbeitete Gitarre ca. 150 Std benötigt ( ein Gitarrenbauer mag mir widersprechen)
dann bin ich bei 7500,-€ angelangt. Dazu rechne ich noch das notwendige Material von 500-1000€.
Dann hätte ich eigentlich den Preis für eine handgebaute Gitarre.
Da viele Gitarrenbauer günsiger sind, liege ich mit meinem Stundensatz falsch, oder die arbeiten im Vergleich zu einem "Standarthandwerker"
zum Hungerlohn!
Es kann aber durchaus auch den einen oder anderen Gitarrenbauer geben, der gerne den Stundensatz eines Rechtsanwaltes (Sorry, ist mir nur als Beispiel eingefallen :oops: ) haben möchte. Ich bin mir zwar nicht sicher was ein "echter Staranwalt" so in der Stunde kostet, aber ich denke mir, das dann schon der Preisbereich, der hier in den Raum geworfen wurde, nicht allzu fern liegt.
Ich weis es ist bitter für uns, aber ein gutes Instrument kann schon seinen Preis haben, wenn wir dem Gitarrenbauer auch ein gutes, oder sogar ausschweifendes Leben gönnen möchten! :wink:

Ich glaube auch daran das eine handgebaute Gitarre etwas anders klingt als eine aus der maschinellen Fertigung.
Aber das ist sicher Ansichtssache!

Das nur mal so am Rande!!
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RB
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von RB »

Die maschinelle Fertigung gibt es allerdings gar nicht, eher die teilmaschinelle. Aber es kann durchaus sein, dass der Handwerker noch ein Quent mehr herauskitzelt.
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H-bone
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von H-bone »

rudi hat geschrieben: Und weiterhin davon ausgehe das eine handgearbeitete Gitarre ca. 150 Std benötigt ( ein Gitarrenbauer mag mir widersprechen)
dann bin ich bei 7500,-€ angelangt. Dazu rechne ich noch das notwendige Material von 500-1000€.
Dann hätte ich eigentlich den Preis für eine handgebaute Gitarre.
So ist es ! Oder besser gesagt so wäre es, denn hierzulande kaum zu realisieren.

Vom Neubau alleine könnte in Deutschland wohl keine Gitarrenbauwerkstatt existieren, das funktioniert nur als Mischkalkulation über die allfälligen Reparaturen.

Die 150 Stunden sind absolut realistisch, Material ebenfalls, dazu Maschinen- und Werkzeug-Kosten, Strom, Werkstatt-Miete etc... wohlgemerkt, der volle Monatsaufwand kommt hier auf die eine Gitarre, die ein Einzelner in dieser Zeit (durchnittlich) schaffen kann.

Da kannste dann rechnen:

Preis der Gitarre 4000 Euro (boah, was ein Geld !!)
abzüglich Material (Durchschnitt) 750 Euro = 3250 Euro
abzüglich Strom/Miete/Kosten 1500 Euro = 1750 Euro
1750 Euro / 150h = 11,66 Euro Stundenlohn

Und wenn's irgendein Problem gibt und man einen zweiten Zargensatz oder Halskantel braucht verdient man eben ein bisschen weniger :mrgreen:

Man sieht, für das Neubau-Geschäft ist jede Menge Idealismus vonnöten, aber ohne Neubau funktioniert das Reparaturgeschäft nicht und umgekehrt...

In den USA geht da deutlich mehr... die Affinität zur Gitarre allgemein ist höher, der potentielle Kundenkreis bedeutend grösser.

Gruss, Martin
notenwart
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von notenwart »

@AndreasFischer – die Gitarren aus dem ALDI bspw in einem Preisbereich ca EUR 60,- konnte ich zumindest nicht einmal stimmen. Und wenn ich überlege, dass ein Satz Saiten EUR8,- kostet, ein Paar Mechaniken EUR 15,- dann weiß ich auch warum ich (mit der mir eigenen Arroganz) diese Instrumente nicht als Gitarren ansehe. Wenn Du das Glück hattest, dafür eine hinreichende Qualität zu bekommen, bist Du einfach geschickter als ich.

@RB – ich kann mir zumindest vorstellen, das geht dann auch ein bißchen in die Beispielrechnung von Rudi, dass ein Gitarrenbauer für mich irgendetwas besonderes anfertigt. Da wird am Hals geschliffen, die Beleistung verjüngt (mit dem Hinweis, dass jetzt maximal 11er Saiten aufgezogen werden dürfen) oder was auch immer, das kostet dann. Soweit Handwerk, soweit wie auch immer die Kalkulation des Handwerksmeisters, und irgendwie dann teuer aber angemessen. Aber meine persönliche Vorstellung hört dann einfach bei 10.000,- auf. Was will der Kerl darüber noch an der Gitarre machen, was ich fühle oder höre????
Der HabenWill-Faktor ist etwas anderes, hab ich verstanden

@Rudi – ich glaube auch, dass eine handgemachte Gitarre, wenn man einen sehr guten emotionalen Draht zum Gitarrenbauer seines Vertrauens hat und dieser wiederum meine und seine Vorstellungen handwerklich auch umsetzen kann, auf jeden Fall anders klingen sollte, als die Gitarren der großen Hersteller. Aber wie schon immer gesagt, der Ton kommt aus den Fingern. Was also könnte an meiner Gitarre besser klingen? Antwort siehe oben von Rolli. Und das wiederum kostet ja keine 35.000,- sondern Fleiß :-)
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rudi
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von rudi »

Sicherlich kommt der Ton aus den Fingern!
Aber moglich machen es auch die Finger des Gitarrenbauers.
Und wenn der keine sensiblen und geübten Finger hat, dann kann der begnadete Gitarrist auch nur das aus der Gitarre herausholen
was drinsteckt ! Je mehr drinsteckt, umso mehr ist möglich!
Was tatsächlich möglich ist, das mag der herausragende Gitarrist entscheiden.
Der begeisterte Hobbygitarrist hat aber bestimmt auch seine Freude an einer außergewöhnlichen Gitarre.
Ob er sich sie leisten kann und mag ist dann wieder eine persönliche Entscheidung.

Ob wirklich ein emotionaler Draht zum Gitarrenbauer nötig ist ..... :roll:
Mir hat mal ein sehr guter Gitarrenbauer gesagt das er möglichst das Optimale aus einem Stück Holz herauszukitzeln versucht.
Also ist er vielleicht eher Material- als Kundenorientiert.
Ich bin mir nicht sicher ob er schon beim Abklopfen und Aussuchen einer "rohen Decke" erkennt wieviel Potential sich durch die Bearbeitung tatsächlich ergibt. Vielleicht liegt dann die optimale Klangfarbe dieser Decke nicht unbedingt in den Vorstellungen des Kunden??
Aber das sind auch nur Vermutungen meinerseits, die unsere hier vorhandenen Gitarrenbauer kommentieren mögen!
Jorma55
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Jorma55 »

Rolli hat geschrieben:
Jorma55 hat geschrieben:Klingen diese Gitarren jetzt jede Martin, Collings, Lowden etc. in Grund und Boden. Mit Sicherheit nicht. Ich wüßte auch gar nicht, was bei meinen Gitarren noch besser klingen sollte,...
Ich meine es jetzt nicht bös, aber meine Antwort wäre: Du !

Diese Antwort gilt aber für uns alle! Da mit dem Rice Daumen halte ich für entweder Legende oder Unsinn oder beides.... der Mann kochte ja auch nur mit Wasser!
Klar, a bisserl was geht immer noch.
Sollte die Story mit Rice erfunden sein, ist sie zumindest gur erfunden. Meine Phantasie hätte da nicht ausgereicht. Ich bin kein Flatpicker, wäre ich einer, würde ich aber gene mit genau diesem Wasser kochen.

Michael
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notenwart
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von notenwart »

rudi hat geschrieben:...
Ob wirklich ein emotionaler Draht zum Gitarrenbauer nötig ist ..... :roll:
...
Die Sache mit der emotionalen Bindung klingt vielleicht etwas esoterisch – ich möchte dann mal erläutern, was ich meine. Natürlich gebe ich dem Gitarrenbauer die Eckdaten vor. Aus meiner Erfahrung wähle ich Hölzer, Mensur, Bauform etc. Nun hat aber logischerweise der Gitarrenbauer auch einen reichen (viel viel größeren) Erfahrungsschatz. Und wenn er weiß, wie ich spiele, wenn er meine Stärken und Schwächen kennt, dann kann er das evtl während der Holzbearbeitung einfließen lassen. Dann ist es ihm möglich, die Decke doch etwas stärker/weniger stark auszuarbeiten, je nachdem, welche Fähigkeiten er von mir kennt. Und wenn er dann beim Arbeiten ist, muss ich ihm natürlich vertrauen, dass er alles richtig in meinem Sinne macht und er muss mir vertrauen, dass ich nicht wegen einer doch etwas stärkeren Beleistung bei der Bezahlung anfange, den Preis zu drücken.
Und jetzt wird’s ganz esoterisch – wenn der Gitarrenbauer also festes Vertrauen darin hat, dass ich ihm zutraue, alles bestens zu machen, macht ihm das Gitarrenbauen mehr Spaß und ein mit Liebe gebautes Instrument klingt halt anders.
Ja der wissenschaftliche Nachweis fehlt vollkommen, aber so meinte ich das mit emotionaler Beziehung (ich muss den guten Mann/die gute Frau deswegen nicht in mein Nachtgebet einschliessen)
Tobias
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Tobias »

Warum nicht? Wenn der Gitarrenbauer überzeugt ist, das Richtige für seinen Kunden tun zu können, wird es ihm sicherlich mehr Spaß machen, als wenn er selbst zweifelt, ob das Instrument für den Kunden etwas taugt. Dann sollte er vor dem Baubeginn meines Erachtens versuchen, die Zweifel im Gespräch mit dem Kunden auszuräumen. Viele Gitarrenspieler, die sich eine Gitarre bauen lassen, werden aber gar keine so genauen Vorstellungen haben, wie die Gitarre werden soll, und verlassen sich eher auf die Erfahrung des Gitarrenbauers.

Hier mal eine Somogyi: http://www.luthierscollection.com/images.php?id=somo466" onclick="window.open(this.href);return false;
Das sieht schon toll aus - wie gesagt, da nähert sich das handwerkliche Instrument mehr dem Kunstobjekt und der Preis lässt sich immer weniger an greifbaren Faktoren fest machen.
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tele
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von tele »

Seit ich meine The Loar, meine Eastman Dread und meine Gitane Gypsy habe, ist das Thema Steelstring, zwar nicht zu Aldi-Preisen, aber auch nicht wesentlich drüber, für mich gegessen.
Aber für eine Mandoline von Gilchrist, Monteleone oder Dudenbostel könnte ich mir schon vorstellen mein Sparschwein zu knacken. Die sind wohl alle so in der Preisklasse, um die es hier geht.
Oder wie heisst der Italiener, der die unförmigen Teile für David Grisman baut?
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Angorapython
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Angorapython »

tele hat geschrieben:Seit ich meine The Loar, meine Eastman Dread und meine Gitane Gypsy habe, ist das Thema Steelstring, zwar nicht zu Aldi-Preisen, aber auch nicht wesentlich drüber, für mich gegessen.
Aber für eine Mandoline von Gilchrist, Monteleone oder Dudenbostel könnte ich mir schon vorstellen mein Sparschwein zu knacken. Die sind wohl alle so in der Preisklasse, um die es hier geht.
Oder wie heisst der Italiener, der die unförmigen Teile für David Grisman baut?
Bild
Ich hatte eine Monteleone, eine Gilchrist, (Mandolinen) in der Hand, hätte mich aber, auch wenn ich das Geld gehabt hätte, für meine Weber entschieden, die einen Bruchteil davon gekostet hat! ( Allerdings hätte mir eine Gibson noch mehr zugesagt, die war mir aber zu teuer!)
Meine Nachbarn hören oft Bluegrass, ob sie wollen oder nicht!
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Bernd
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Bernd »

Als ich meine Sigma um 2000 Euronen das erstemal in den Händen hielt,dachte ich mir nur, die is aber leicht, und nach 10 Minuten drauf spielen nur noch, Warum warum nur hab ich dafür meine 350 Euro Gitarre hergegeben? Die klingt nix. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist sie mir ans Herz gewachsen und obwohl ich nur ein Otto Normal Gehör habe, weiss ich, und höre ich, sie klingt immer besser, vorausgesetzt sie wird auch wieder und wieder gespielt. Ist halt wie bei Autos, ich kann auch ein günstiges Modell gut einfahren. Und man kann auch eine Gitarre gut einspielen. Drum klingen gleiche Gitarren mit der Zeit auch verschieden. Jedr drückt ihr seinen eigenen Stempel auf. P.S. Ich bin verdammt zufrieden mit meiner Sigma. Das war sicher die letzte,die ich gekauft habe. Moment, Vor kurzem hab ich eine gesehen, die wäre doch.....
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rudi
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von rudi »

@Notenwart

Selbstverständlich ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Spieler und Gitarrenbauer von Vorteil,
und wird mit Sicherheit zu einem besseren Ergebnis führen.
Ob sich das wirklich auf so etwas wie Deckenstärke auswirkt kann ich nicht beurteilen.
Aus meiner Sicht würde ich eher das optimale(aus meiner Sicht) aus einer Decke herausholen wollen,
und dann mache ich die Decke genau so wie ich es für richtig halte.
Ob das dem Kunden passt oder nicht ! Sorry !!
Wenn das nicht so wäre dann hätte ich auch keine Lust an dieser Decke zu arbeiten,
denn allein mein eigener Anspruch sollte ja so sein immer das Optimum aus einem Werkstoff herauszuholen.
Aber vielleicht sehe ich das auch falsch. Ich bin ja kein Gitarrenbauer.
Ich weiß nur aus eigener Erfahrung das, wenn Kunden von mir bestimmte Vortstellungen hatten, die eigentlich,
zum Gesamtobjekt nicht passten, habe ich mit weniger Einsatz gearbeitet.
Letztendlich ist der Bau einer Gitarre immer ein wenig Lotteriespiel.
Da ist man beim Gebrauchtkauf, oder Neukauf im Laden, auf jeden Fall auf der sicheren Seite!
Ich kann die fertige Gitarre schon eine Zeit spielen und sie mit etwas Vorhandenem vergleichen.
Das ist bei einem Neubau unmöglich, daher ist ein vertrauenvolles Verhältnis sehr wichtig !!
Es gibt aber auch Gitarrenbauer, sofern die Holzauswahl nicht zu exotisch ist,
die bei Nichtgefallen die Gitarre auch wieder zurücknehmen!!

Allerdings ging es in diesem Faden aber um die Preisgestaltung und den daraus eventuell resultierenden klanglichen Zugewinn.
Tobias
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Tobias »

Naja, man muss sich schon überlegen, für wen man die Gitarre baut. Wer auf der Decke schrabbt wie Jon Gomm wird sicherlich mit Verstärkungen an gewissen Stellen und hartem Lack besser fahren als mit einer maximal schwingenden Decke mit Schellackpolitur.
Jorma55
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Re: Wie kann eine Gitarre EUR 35.000,- kosten?

Beitrag von Jorma55 »

Ich möchte mich noch an einer denkbaren Erklärung für diese Wahnsinnspreise versuchen, die an das anknüpft, was H-Bone bereits ausgeführt hat:

Die Gitarrenbauer, von denen wir hier reden sind ausschließlich US- Amerikaner . Die amerikanische Szene ist weitaus fanatischer, größer und teilweise auch finanzkräftiger als beispielsweise die deutsche. Die Akustikgitarre mit Stahlsaiten gilt dort -zu Recht oder zu Unrecht-als uramerikanische Errungenschaft, die in einer Zeit entwickelt wurde, als die Gitarre anfing, das Banjo in der populären Musik in der Beliebtheit abzulösen. Akustik-Gitarren finden sich in Millionen von amerikanischen Haushalten und werden quer durch sämtliche Gesellschaftsschichten gespielt. Steve Jobs spielte Gitarre, Johnny Depp wollte eigentlich Profigitarrist werden, der Schauspieler Steven Segal nennt eine beachtliche Sammlung sein eigen, und die Martin D-28 aus dem Jahre 1931, die für das entsprechende Authentic Modell vermessen, eingescannt und was weiß ich nicht noch alles wurde, stammt aus der Sammlung des Schauspielers Richard Gere. Das sind nur Beispiele aber alles Leute für die 35.000$ weniger sind als für unsereins 1000 Euro.
In dieser Szene, in der auch noch sehr viele teure Vorkriegsgitarren in Umlauf sind, besteht natürlich auch ein entsprechender Bedarf an Fachleuten, die mit der Reparatur und Restauration dieser Instrumente vertraut sind. In den 70er Jahren wurde der Job noch von den angesagten Fachhändlern übernommen, die in ihren Läden entsprechende Mitarbeiter beschäftigten bzw. eigene Werkstätten unterhielten. Wenn diese Mitarbeiter gut waren, hatten sie schnell einen entsprechenden Ruf in der Szene. Kim Walker machte den Job jahrelang bei Gruhn Guitars in Nashville, James Olson bei The Podium in Minneapolis und der im UMGF geradezu kultisch verehrte J.T. Thompson bei Elderly Instruments in Lansing/Michigan. Irgendwann hatten diese Leute keine Lust mehr, für eine festen Monatslohn als Angestellte zu arbeiten und machten sich mit Reparatur- und Restaurationsarbeiten selbständig. Die Szene ist ja groß genug, man hat sich über die Jahre einen guten Ruf erworben, an Kundschaft fehlt es nicht.
Dann kommt eines Tages ein Kunde zu Kim Walker (nur als Beispiel) und sagt : Du hast doch soviel Ahnung, warum reparierst Du denn nur, Du könntest doch selbst tolle Gitarren bauen. Ich wäre da sehr interessiert. Und Walker sagt : Ich bin total ausgelastet, bei mir stapeln sich die Reparaturaufträge, ich komme jetzt schon kaum mehr mit der Arbeit nach. Und der Bau einer ganzen Gitarre von Hand ist eine zeitintensive Angelegenheit, da müsste ich ja xxxxx Dollar verlangen. Der Kunde sagt : Spielt keine Rolle, Hauptsache Du baust mir meine Traumgitarre.
So könnte das losgegangen sein und bei J.T.Thompson läuft es wohl heute noch so. Der repariert eigentlich viel lieber und Du musst schon einen ganz guten Tag erwischen, damit der sich wieder einmal zum Bau einer Gitarre überreden lässt. Die kann dann aber locker noch teurer werden als eine Somogyi. Und natürlich baut der dann mit Dovetail und Hautleim,wie er es seit Jahrzehnten gewohnt ist.
Jetzt muss ich aber aufpassen, dass ich mir nicht selbst ins Knie schieße....

Michael
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