Die Zukunft der Gitarre

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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wuchris
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Beitrag von wuchris »

So lange eine Gitarre noch durch Schwingungen von Saiten einen Ton erzeugt, wirds keine nennenswerte Neuerung geben.
Digitale Spielereien wie autom. Stimmen, digitale Wandler (wie bei der Line6-A-Gitarre) und vielleicht tatsächlich integrierte Übertrager für kabelloses Vergnügen zähl ich mal nicht als echte Neuerung des Prinzips "Gitarre", sonder als logische Konsequenz der techn. weiterentwicklung.

Gottseidank gibts keine Alternative zu den Saiten ;)
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kris
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Beitrag von kris »

Pappenheim hat geschrieben:Ich bin erzkonservativ und stemme mich mit aller Kraft gegen jeden Fortschritt. :?
:lol: Die Sales-Manager von Martin und Gibson freuts!

Der Großteil der Gitarrenkäufer ist, was Form und Farben und Marken betrifft, konservativ eingestellt (ich eher auch) und die Hersteller richten sich natürlich danach.

Die Westerngitarre ist heute ein klassisches Instrument. Wahrscheinlich ist die Zukunftsentwicklung der Akustikgitarre so ähnlich wie die Entwicklung der Geige in der Vergangenheit: Nur marginale technische Neuerungen, eher noch die Qualität der alten Vorbilder erreichen.
Lieber ein guter Dilettant als ein schlechter Meister...
notenwart
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Beitrag von notenwart »

Meine Prophezeiung:
Aus Kostengründen wird es für den Massenbedarf noch mehr Materialsubstitutionen geben.
Wegen präziserer Produktionstechnik und Logistik ist es möglich, in gewissem Rahmen Custom-Shop-Modelle für den normalen Preis herzustellen.
Aufgrund dieses Preisdruckes werden die meisten Gitarren (zahlenmäßig) in zehn Jahren aus China oder ähnlich hoch qualifizierten aber niedrig entlohnenden Ländern kommen
Es kommt zu einem massiven Sterben mittlerer Gitarrenbauer
(Ähnlich wie die Entwicklung im Pianobau)
Demzufolge müssen die handwerklichen Gitarrenbauer ihre hohe Qualität deutlich gegenüber der qualitativ auch guten Massenware abgrenzen.
Das erreichen sie durch Service und extrem hochwertige Instrumente, die wiederum auch extrem teuer sein werden und sich weniger an den ambitionierten Hobbyzupfer sondern doch eher an konzertierende Virtuosen richten

Mit anderen Worten - noch heute eine handgebaute sehr gute Gitarre kaufen!

Am Prinzip Gitarre wird sich ausser modischen Entwicklungen nichts ändern
wuchris
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Beitrag von wuchris »

notenwart hat geschrieben: (...) und sich weniger an den ambitionierten Hobbyzupfer sondern doch eher an konzertierende Virtuosen richten
Das glaube ich nicht.
Beispiel Motorradfahren, was ja auch nur ein Hobby ist: BMW und Ducati z.B. bauen Motorräder die weit über dem finanziellen Level von "Fortbewegungsmittel mit zwei Rädern" anzusiedeln sind und trotzdem gehen die Dinger weg wie warme Semmeln, wohingegen die Japaner echte Absatzpropleme haben und nicht mal mit billig-Angeboten (0% Finanzierung, 3 Jahre Service dabei, Führerschein bezahlen bei Fahranfängern,...) vergleichbarer Maschinen ihre Dingern anbringen.

Genauso denke ich, dass die Wertarbeit von deutschen Gitarrenbauern auch weiterhin gefragt sein wird und der Absatz -wie du ja schon geschrieben hast: vorausgesetzt die Qualität und der Service stimmt- nicht deutlich abnehmen wird. Dass der ein oder andere untergehen wird, ist klar.
Ist eben doch ein Unterschied, ob man ein China-Produkt -und sei es noch so fein gefertigt- in Händen hält, oder eine Gitarre, wo man beim Bau qasi dabei sein durfte und jedes Detail selbst bestimmen kann.

Die Gesellschaft spaltet sich auf: die einen legen keinen Wert auf Qualität und wollen NUR billig, die anderen legen Wert auf Qualität und lassen sich das auch was kosten. Es hat eben style, "wertvolle" Dinge zu besitzen und/oder zu konsumieren.
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Paeida
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Beitrag von Paeida »

Ich würde Notenwart zustimmen, dass sich die Chinausen bald qualitativ nichtmehr verstecken müssen (das sie das know how überwiegend zusammenklauen und einen Sch... auf Patente geben ist ein anderes Thema).
Allerdings ist es meiner Meinung nach auch nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der chinesische kleine Mann den Regierungsstil nichtmehr gefallen lässt und auch was vom großen Kuchen abhaben will.
Wenn es so weit ist, werden auch die Produkte durch steigende Lohnkosten nichtmehr so billig verkauft werden können...
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tired-joe
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Beitrag von tired-joe »

Die Gitarre wird sich auf das wesentliche reduzieren, auf Griffbrett und Stimmechaniken. Der Klang wird elektronisch abgenommen. Die Yamaha silent guitars sind erst der Anfang, ein guter Anfang sogar. Das Konzept hat zukunftseminente Vorteile: Es wird Holz eingespart, die Gitarre ist leichter zu transportieren (Mobiltaet und Relokalisierung werden in Zeiten der Globalisierung und der zunehmend groesser werdenen Kluft zwischen wohlhabenden und armen Regionen immer wichtiger (Stichworte "Wanderarbeiter", "Gastarbeiter"). Es werden die Klangmoeglichkeiten wesentlich erweitert. Prozessoren fuer Hall, Chorus etc. sind integriert, ebenso EQ, der Fortschritt in der Mikroprozessortechnik und elektroakustischen Forschung fuehrt dazu, dass die Abgrenzung Stahlsaiten vs. Nylonsaiten, Akustikgitarre vs. E-Gitarre etc, obsolet werden. Eine Gitarre erschliesst alle Klangrichtungen. Das ist ein nicht zu verachtender Aspekt, da Wohraum knapp und teuer wird, verursacht durch eine eskalierend einsetzende Landflucht wird es zu einer Bevoelkerungskonzentration auf wenige Zentren kommen.

Nur starrkoepfige Puristen mit zuviel Zeit und Geld werden sich weiterhin den Luxus einer massiven Holzgitarren lesiten koennen. Man wird diesen wenigen Menschen mit Ehrfurcht, mehr aber mit Mitleid begegnen. Aehnhlich, wie es denjenigen ergeht, die noch heute mit einer Rolleiflex 6x6 Kamera fotografieren.

Joe
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wuchris
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Beitrag von wuchris »

hmmmm.... irgendwie sehe ich in dem Schrieb vom Müden Joe fast ein wenig Sarkasmus ;)

Aber kurz OT: mich faszinieren die Möglichkeiten wie sie z.b. von Yamaha oder Line6 ausgeschöpft werden, zunehmens. Da kann man live geile Sachen anfangen, die sonst "nie" möglich wären.
notenwart
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Beitrag von notenwart »

He tired-joe,
das Beispiel mit der Fotografie ist auch gut.
Ein guter Fotograf hat vor wenigen Jahren Film belichtet und entwickelt, heute bannt er seine Impressionen auf Speicherchips.
Das, was davor ist, nämlich Objektiv und Verschluss hat nahezu keinen Wandel erlebt.
Insofern vermute ich, dass die von Dir skizzierte Richtung nicht so extrem ausgeprägt sich durchsetzen wird
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Pappenheim
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Beitrag von Pappenheim »

tired-joe hat geschrieben:Nur starrkoepfige Puristen mit zuviel Zeit und Geld werden sich weiterhin den Luxus einer massiven Holzgitarren lesiten koennen.
Na von mir aus, dann bin ich eben ein starrköpfiger Purist. :roll: Hggrmpfft... :? :? :?
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Paeida
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Beitrag von Paeida »

tired-joe hat geschrieben:
Nur starrkoepfige Puristen mit zuviel Zeit und Geld werden sich weiterhin den Luxus einer massiven Holzgitarren lesiten koennen.

Joe
"echt" bleibt "echt", ich habe ein wirklich gutes E-Piano, bin mir aber sicher, dass ich bis in 10 Jahren, wenn Eigenheimerwerb und Familienplanung abgeschlossen sind, ein richtiges Klavier kaufen werde, weil es einfach anders (besser) klingt.

Ich habe nichts gegen Technik, in meinem kleinen bescheidenen Homestudio steht genug davon rum und ich nutze es gerne, aber 100 % naturgetreu wird immer nur ein "richtiges" Instrument klingen, selbst wenn es "nur" beim Spielen, nicht bei einer Aufnahme so ist und sein wird...
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tired-joe
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Beitrag von tired-joe »

wuchris hat geschrieben:hmmmm.... irgendwie sehe ich in dem Schrieb vom Müden Joe fast ein wenig Sarkasmus ;)
:wink:

Habe "ein wenig" spitz formuliert.

Wir brauchen uns keine Sorgen um Holzgitarren zu machen, auch Pappe nicht. Ich habe mir die Situation nicht in 10, 20 oder 30 Jahren vorgestellt, sondern in 60 und mehr Jahren. Das werden wir hier sowieso nicht mehr erleben, im wahrsten Sinne des Wortes.

@notenwart: Um bei dem Vergleich zur Fotografie zu bleiben: Das Prinzip der Klangerzeugung, naemlich das der schwingende Saite wird erhalten bleiben, also klassische Physik hier, genau wie die digitale Fotografie immer noch auf klassicher Optik beruht. Dem schliesst sich dann ein digitaler Prozess an, so wird es bei den Gitarren der Zukunft sein, und so ist es bei den allgegenwaerigen Digiknipsen.

@Paeida: Du sprichts hier von deiner persoenlichen Vorliebe, die ich verstehe, ich denke genauso. Aber mittels sampling kommt man dem Klavierklang heutzutage schon verdammt nahe, so dass echte Klaviere in vielen Produktionen heute schon durch sampling ersetzt werden. Das ist billiger und keiner merkt es. Und auf den Buehnen diverse Popgruppen findet man selten ein echtes Klavier. Die sind zu schwer, akustisch kompliziert abzunehmen, zu wenig flexibel. Das Klavier wird mehr und mehr durch "keyboard" abgeloest. Einfach weil es praktischer und billiger ist. Genau das zeichnet auch den Weg der Gitarre vor. Das Klavier wird ein Dinosaurier werden, so wie die Hammond B3.

Ich spreche hier nicht von meinen peroenlichen Vorlieben, obwohl einige Beipiele der silent guitar die ich auf youtube finde, mir vom Klang gefallen. Wuerde gerne mal so eine Gitarre ausprobieren.

Ich denke mir nur ein Szenario aus, wie die Gitarre der Zukunft aussieht, wobei ich mir ueberlegt habe, in welchen Bereichen wirklich noch Inovationen moeglich sind. Es ist eine Utopie, fuer viele wohl eine Anti-Utopie.

Joe

P.s. Ich liebe den Klang der Hammond B3 ueber eine Leslie Lautsprecher, genauso wie den Steinway von Bill Evenas gespielt, am besten mit Scott LaFaro am akustischen Bass und Paul Motion am akustischen Schlagzeug.
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Paeida
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Beitrag von Paeida »

tired-joe hat geschrieben: Aber mittels sampling kommt man dem Klavierklang heutzutage schon verdammt nahe, so dass echte Klaviere in vielen Produktionen heute schon durch sampling ersetzt werden.
Für Produktionen oder auf der Bühne ist das klar, wenns hinterher ohnehin aus Lautsprechern kommt. Aber findest du nicht, dass ein natürlich erzeugter Klang, egal wie gut die Samples sind, besser, oder sagen wir es neutraler: anders klingt?

Selbst die Hammond klingt doch nur mit den originalen Lautsprechern wie ne echte Hammond?

Auf der CD hört man das nicht, aber so ganz natura ist es doch schon was Anderes...
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RB
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Beitrag von RB »

Wer sich zum Advocaten des Cutaway an einer akustischen Gitarre macht, ist kein Purist. Puristen spielen Gitarren ohne Cut und ihr Stimmgerät heißt nicht Korg AW 2, sondern Fork A 440
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Paeida
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Beitrag von Paeida »

@ RB:

Würdest du mich als Puristen akzeptieren, wenn ich zukünftig zwar mit Cut, aber dafür nackt spiele? :lol:

Merk gerade, dass das auch nichts helfen würde, meine Gitte hat ja auch nen Computer an Board (Mikro-Modeler)... :oops:
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Paeida hat geschrieben:@ RB:

Würdest du mich als Puristen akzeptieren, wenn ich zukünftig zwar mit Cut, aber dafür nackt spiele? :lol:

Merk gerade, dass das auch nichts helfen würde, meine Gitte hat ja auch nen Computer an Board (Mikro-Modeler)... :oops:
Na ja, solang Du noch keinen Chip eingebaut hast, bewegst Du Dich immerhin in der Grauzone.
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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